Tiere sind keine „Halbgötter in Weiß“, tragen keine weißen Kittel, können keine medizinische, psychologische oder physiotherapeutische Ausbildung nachweisen, und doch ist das Feedback ihrer „Arbeit“ groß. Sie sind in der Lage, Erstaunliches zu bewirken – wie zum Beispiel Nager. Denn tiergestützte Therapie bedeutet nicht zwangsweise, dass Delphine, Pferde oder Hunde zum Einsatz kommen, wie das Beispiel der neurologischen Frührehabilitation im Klinikum München-Harlaching zeigt.
Im Klinikum München-Harlaching setzen Neuropsychologen zur therapeutischen Unterstützung erfolgreich auf Kaninchen, die als Besuchstiere zum Beispiel zu Schlaganfallpatienten auf Station kommen. Eine Idee, die in anderen Ländern vorgelebt wurde, hat in Harlaching einst die Neuropsychologin Dr. Stefanie Böttger umgesetzt. Innovative Wege für außergewöhnliche Patienten, denn nach einem Schlaganfall ist nichts mehr wie es einmal war. Dabei werden, so weiß man heute, durch frühzeitige Rehabilitationsmaßnahmen die Grundsteine für den Weg zurück in das Alltagsleben gelegt. Sofern dies möglich ist, denn nicht alle Teile eines zerstörten Gehirns lassen sich wiederherstellen. Und doch können die flauschigen Therapeuten Erstaunliches bewirken und helfen zu erreichen, was mit bloßen Worten nicht gelingt.
Tiere schenken emotionale Nähe
Tiergestützte Behandlungsverfahren zielen darauf ab, durch den gezielten Einsatz von Tieren das körperliche und seelische Erleben und Verhalten von Patienten positiv zu beeinflussen und das Wiedererlernen grundlegender Bewegungen zu unterstützen. Dabei wirken Tiere auf erkrankte Menschen insbesondere deshalb heilend, weil sie keine Erwartungshaltung haben, nicht bewerten, Wärme ausstrahlen und emotionale Nähe schenken, wie ich dort selbst miterleben durfte: Einem Patienten, der nach Schlaganfall in seinen motorischen Fähigkeiten extrem eingeschränkt war, vermochten die Kaninchen auf der neurologischen Frührehabilitation wieder ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Sie wurden ihm auf die Bettdecke gesetzt, so dass er sie streicheln konnte. Durch emotionale Reize erreichten die Fellnasen, was anderen Therapeuten nicht gelang: das spontane Ausstrecken seiner Arme, um die Tiere zu streicheln. Sowohl den Kaninchen als auch ihm taten diese Berührungen sichtlich gut und förderten auf angenehme Art die motorischen Bewegungen. Dabei wurde selbstverständlich darauf geachtet, dass die Patienten nicht zu Schaden kamen, also weder gebissen wurden noch sich Zoonosen zuzogen.
Positive Erfahrungsberichte, meist mit Hunden als „Therapeuten“, kommen auch aus dem Umfeld von Demenzkranken mit verminderter Orientierungsfähigkeit und reduzierter verbaler Kommunikationsfähigkeit. Auch hier werden Tiere eingesetzt, um die motorischen Fähigkeiten der Erkrankten zu trainieren (z.B. durch Streicheln). Hunde sind in der Lage, eine nonverbale Kommunikation zu den Demenzkranken aufzubauen -, auch wenn diese bei fortgeschrittener Erkrankung mit anderen Methoden nicht mehr erreicht werden können und ansonsten apathisch und in sich gekehrt sind. Im Umgang mit Tieren öffnen sich viele Menschen. Auch Unruhe, Stress, Schmerz und Blutdruck können im Umgang mit Tieren positiv beeinflusst werden.
In Pflegeheimen, in denen man zudem häufig noch Besuchshunde sieht, fördern diese die sprachliche Kontaktaufnahme zu den Mitbewohnern. Denn die Tiere sind oft noch tagelang Gesprächsthema Nummer 1 unter den Heimbewohnern.
Daneben begrüßen auch viele Pflegefachkräfte den Einsatz von Therapie- oder Besuchstieren, helfen sie doch den Bewohnern Ängste abzubauen, Eingewöhnungszeiten nach Umzug ins Pflegeheim zu erleichtern und für eine vertraute Atmosphäre zu sorgen.