Während der eine bei kühlem Bier im Grünen zur Ruhe kommt, kann ein anderer bei Rockmusik auf dem Rennrad entspannen. Was beim Relaxen auffällt, gilt auch bei Stress: die jeweiligen Einflüsse wirken auf Menschen unterschiedlich. Was für den einen belastend ist, muss nicht zwingend für den anderen gelten. Deswegen kann eine Person nur dann Stress vorbeugen, wenn sie individuell ansetzt.
Fachkräfte in Pflegeheimen sind verschiedenen Einflüssen ausgesetzt, die potenziell Stress verursachen können. Laut einer Umfrage weisen mehr als 60 Prozent der Alten- und Krankenpflegekräfte drei oder mehr psychosomatische Beschwerden auf. Das zeugt davon, dass sich Reize bei der Arbeit negativ auf das Befinden der Pflegekräfte auswirken. Einige praktische Tipps zur Stress-Prävention sollen helfen, die Wurzeln des Problems zu erkennen und Stress vorzubeugen:
Stressoren erkennen
Akut prägt sich Stress auf unterschiedlichen Ebenen aus; zum einen physiologisch indem das Adrenalin steigt oder Kopfschmerzen bei Betroffenen auftreten, aber auch psychisch, etwa in Form von Ärger oder Anspannung. Die langfristigen Folgen sind gravierender und können zu psychosomatischen Erkrankungen, Depressionen oder Burnout führen.
Doch wie kommt es so weit?
Unspezifische Reize – sogenannte Stressoren – lösen die Stressreaktion aus. Ein häufiger Stressor in der Altenpflege ist die Arbeitsüberlastung. Wer zu viele Aufgaben in zu kurzer Zeit bewältigen muss, ist überfordert und gestresst. Es gibt viele weitere Stressoren, wie körperliche Anstrengung oder zwischenmenschliche Konflikte, die sich negativ auswirken. Im Alltag ist es häufig ein Zusammenspiel aus vielen kleinen Reizen. Sich bewusst zu werden, was einen konkret reizt, ist der erste Schritt, um Stress vorzubeugen. Dabei können folgende Fragen zur Stress-Prävention beitragen:
- Wann neige ich dazu, mich im Alltag überlastet zu fühlen?
- Welche Aufgaben bei der Arbeit lassen mich angespannt sein?
- Was raubt mir unverhältnismäßig viel Energie?
Grenzen setzen und kommunizieren
Ist bekannt, was Stress verursacht und wie er sich auswirkt, können Fachkräfte mit Maßnahmen zur Stress-Prävention vorbeugen. Dabei ist wichtig – besonders gegenüber Vorgesetzten – klar zu kommunizieren, wann das Arbeitspensum zu hoch ist oder durch welche Faktoren Stress aufkommt. Letztlich sind Arbeitgeber dazu verpflichtet, arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren und Berufskrankheiten zu verhindern. In Pflegeheimen lässt sich zum Beispiel durch verlässliche Dienstpläne oder optimierte Arbeitsverteilung Abhilfe schaffen.
Wenn Pflegerinnen merken, dass Aufgaben körperlich zu anstrengend sind, sollten sie mit ihrer PDL darüber sprechen: Im Idealfall lassen sich praktische Lösungen finden wie eine neue Arbeitsaufteilung oder der Kauf einer unterstützenden Ausstattung. Außerdem gibt es Trainings zu Resilienz und Selbstfürsorge, die Pflegekräfte befähigen, klarer zu kommunizieren und besser mit den Anforderungen umzugehen. Hintergrund ist das transaktionale Stressmodell. Es besagt, dass Stress die ungenügende Bewertung der eigenen Ressourcen im Verhältnis zu einem Stressor angibt. Ziel ist, die eigenen Ressourcen zu stärken oder dem Stressor entgegenzuwirken. Idealerweise kombinieren wir beide Ansätze.
Trigger verhindern
Manche Reize, die Stress verursachen, wie Hitze oder Hunger, lassen sich leicht beheben. Der Betroffene kann die Jacke ausziehen oder etwas essen. Schwieriger wird es, wenn es sich um Reize handelt, die gar nicht oder nur schwer beeinflussbar sind. Niemand kann etwa bewirken, dass sich Bewohner immer ruhig und verständnisvoll verhalten. Wenn Pfleger allerdings wissen, dass sie unter Zeitdruck gestresst sind, könnten sie für bestimmte Aufgaben von Anfang an mehr Zeit einplanen. So umgehen sie den Trigger.
Eigene Ressourcen stärken
Besteht kein Ausgleich und eine Pflegekraft wird konstant überstrapaziert, kann es zum Burnout kommen. Aus diesem Grund schreibt das transaktionale Modell den eigenen Ressourcen eine wichtige Rolle zu.
Nach einem kräftezehrenden Vormittag im Pflegeheim kann durch einen zehnminütigen Spaziergang im Garten neue Energie gewonnen werden; nach einem anstrengenden Besuch bei einem Bewohner, kann ein kurzer Anruf mit der besten Freundin als Ausgleich dienen. Im Privaten bedeutet Stress-Prävention etwa genügend zu schlafen und eine gesunde Ernährung zu verfolgen. Das beeinflusst das allgemeine Wohlbefinden und stärkt die Resilienz gegenüber Stress in der Arbeit. Entspannungsmethoden, kognitive Therapien, Selbstmanagement und andere gesundheitsfördernde Maßnahmen tragen ebenfalls zu einem präventiven Mindset bei.
Gesundheitswochen
Auch bieten manche sozialen Träger ihren Mitarbeitern Gesundheitswochen an. Diese finden in ausgesuchten Kurhäusern statt und haben sich dem betrieblichen Gesundheitsmanagement verschrieben. Dort finden sich neben Yoga- und Entspannungskursen auch therapeutische Gesprächsrunden sowie Nordic-Walking-Angebote und Ernährungsseminare. Mitarbeiter müssen, um die Gesundheitswoche besuchen zu können, lediglich Urlaub nehmen, den Aufenthalt inklusive Kost und Logie bezahlt der Arbeitgeber. Nachfragen lohnt also!
Christopher Seidel
Super geschriebener und informativer Artikel :-). In diesen Blog werde ich mich noch richtig einlesen