Sicher mobilisieren mit Kinaesthetics

Weniger ist mehr

Menschen lassen sich nicht wie Gegenstände bewegen! Und Alter ist nicht zwangsläufig mit Immobilität vergesellschaftet. Alte Menschen sind nicht per se unbeweglich und steif, nur weil sie alt und krank sind. Doch werden sie vorwiegend passiv transferiert, lernen sie, sich passiv zu verhalten und machen sich steif durch standardisierte Bewegungstechniken beim pflegerischen Umgang. Es kommt zur erlernten Hilflosigkeit.

Pflege ist körperliche Schwerstarbeit, kräftezehrend und hat negative gesundheitliche Auswirkungen auf die Pflegenden. Daher ist ein Ressourcen-schonender Umgang wichtig. Wichtig ist auch, dass das Pflegepersonal die eigene Geschwindigkeit im Umgang mit pflegebedürftigen Menschen reduziert, da die Pflegenden stets schneller sind als die Hilfebedürftigen. Eine Forderung, die angesichts der miserablen Personalschlüssel an deutschen Krankenhäusern utopisch erscheinen mag, da in kürzester Zeit immer mehr geleistet werden soll. Doch bei Pflegehandlungen wird oft zu zügig vorangegangen und so bleibt die Balance zwischen Nähe und Distanz meist auf der Strecke.

 

Förderung der Bewegungskompetenz

Mit Hilfe von Kinaesthetics, der Kunst der Bewegungswahrnehmung, werden Pflegende in der Wahrnehmung der eigenen Bewegung und der von und mit Pflegebedürftigen geschult. Mit gezielter Schulung und Sensibilisierung der Pflegenden können sich Berührungs-, Beziehungs- und Bewegungsfähigkeiten von Pflegenden verbessern. Kinaesthetics zielt darauf ab, Menschen zu helfen, ihre eigenen Bewegungsmöglichkeiten zu finden und sie auszuschöpfen. Das Konzept fördert aber nicht nur die Selbstkontrolle der Patienten, sondern auch die personelle Kompetenz der Pflegenden. Die Prinzipien der Kinaesthetics ermöglichen es Pflegenden, wirksame Transfers durchzuführen und Interaktionen mit den Pflegebedürftigen so zu bemessen, dass sie der jeweiligen pflegerische Situation angepasst sind. Dies führt letztendlich auch zur Steigerung der Effizienz einzelner Pflegehandlungen und kann helfen, Liegezeiten zu verkürzen. Kompetente Pflege vermindert zudem Aggression.

Die eigene Gesundheit im Visier: Rückenschonendes Arbeiten

Das Hauptgewicht eines Menschen verteilt sich auf die sieben verschiedenen Körperteile: Kopf, Brustkorb, Becken, Arme und Beine. Dazwischen ist das Gewicht geringer, wie an Hals, Taille, Schulter- und Hüftgelenken. Über diese „stabilen Zwischenräume“ kann Gewicht verlagert werden, nach dem Motto „Gewicht in der Schwerkraft zu organisieren“. Die Pflegenden lernen einzelne Massen zu bewegen und Hebeanstrengungen zu vermeiden. Sie lernen, bei Fortbewegungsaktivitäten ihre eigenen Körperteile einzeln wahrzunehmen und einzeln zu bewegen, so dass das Körpergewicht des Pflegebedürftigen in kleinen Portionen – und nicht auf einmal – an einen neuen Ort bewegt wird. Indem die Pflegenden ihren eigenen Körper entsprechend einbeziehen, können sie Masse für Masse der Patienten bewegen.

Wird nach kinaesthetischen Grundprinzipien gearbeitet, ähnelt es fast einem gemeinsamen Tanz. Bei einem Ortswechsel, z.B. vom Bett auf den Stuhl, kann man, anstatt Hilfsbedürftige in die Pflegeabhängigkeit zu drängen, diese fördern und ihnen, so weit möglich, die Kontrolle über die Ausführungen anvertrauen. Eigenaktivität und die Bewegungskompetenz werden besser erkannt und können in tägliche Aktivitäten einbezogen werden. Dies führt zu differenzierteren Bewegungsabläufen und mehr Eigenständigkeit. Nach dem Motto „Individuen brauchen individuelle Unterstützung“ können so gleichzeitig Verletzungsrisiken sowie eigene Rückenprobleme minimiert werden. Kinaesthetics ist also auch eine Präventivmaßnahme für Rückenprobleme beim Pflegepersonal.

Krankenkasse übernimmt Kosten für Kurse von pflegenden Angehörigen

Die Barmer Ersatzkasse beispielsweise übernimmt bereits Kosten für Grund- und Aufbaukurse für pflegende Angehörige, die in Ballungszentren, wie München, regelmäßig angeboten werden

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