Fünf Expertentipps für Pflegende, wie sie ihren Rücken während der Arbeit besser schonen können.
Pflegerin Anna ist im Stress: Wichtige Dokumente müssen noch erfasst werden, Frau Schmid am Gangende benötigt Hilfe, ihr Katheter sollte gewechselt werden, und auch Herr Maier ist in seinem Bett nach unten gewandert, liegt wie ein Frosch mit gespreizten Beinen am Fußende. Schnell will Anna dem alten Mann nach oben helfen und zieht ihn ruckartig hoch ans Kopfteil des Bettes. Keine gute Idee. Rund das Fünffache ihres Körpergewichts lastet nun auf den Bandscheiben der Pflegekraft. Das Problem: Schnell entwickelt sich aus unbedachten Hebehandlungen ein Bandscheibenvorfall. Solche Szenen sind Alltag in Heimen und Krankenhäusern. Doch wie gestaltet sich rückenschonendes Arbeiten?
Rücken schonen mit anderen Glaubenssätzen
Die Caritas München setzt seit knapp vier Jahren einen Mobilitäts- und Ergonomie-Coach ein: Kai Pietzner ist Physiotherapeut und gewann unlängst den Innovationspreis des Verbands katholischer Altenhilfe Deutschland (VKAD) für dieses Jobprofil und das damit verbundene Angebot für die Pflegekräfte.
Der Experte sagt: „Etliche Fachkräfte kämpfen mit ihren erlernten Mustern: schnell und effizient soll gearbeitet werden. Sie selbst verlieren sich dabei aus dem Fokus.“ Pietzner verweist darauf, dass Widerstandskraft und mentale Gesundheit der Pflegenden nicht erst seit Corona leiden. Mentales Training kann daher helfen, diese alten, sich wiederholenden Muster und Glaubenssätze zu lösen. Was letztlich die Kommunikation zwischen Fachkraft und Bewohnenden bzw. Patienten stärken soll. Ergonomische Schulungen wiederum zeigen, wie die Arbeitshaltung am Pflegebett verbessert werden kann.
Bewohner einbeziehen
Laut Pietzner erschwert vor allem fehlende Kommunikation den Arbeitsalltag. Der Ergonomie-Coach rät: „Beziehen Sie den Patienten immer mit ein.“ Denn oft werden Ressourcen des zu Pflegenden nicht erfasst, wie zum Beispiel ob Patientinnen und Patienten kognitiv in der Lage sind, Gesagtes zu verstehen. Kann der Patient seine Arme heben, eventuell das Bein eigenständig rüber ziehen? Durch Ansprache lässt sich herausfinden, welche Bewegungen möglich sind oder was die Seniorin noch allein kann. Auch taktile Reize und Zuspruch helfen, um in Kontakt zu kommen. Zudem helfe der Dialog, Patienten in ihrer Eigenständigkeit zu stärken und mobil zu bleiben.
Ergonomische Haltung zeigen
Eine korrekte Körperhaltung ist entscheidend, um Verletzungen am Rücken zu vermeiden. Eine Pflegekraft bettet bis zu 50-mal am Tag Bewohnerinnen um oder mobilisiert diese. Selbst das Aufrichten zum Waschen oder Essen ist für viele Ältere schwierig. Doch eine falsche Hilfestellung dafür belastet den Bewegungsapparat des Pflegepersonals immens.
Pietzner rät: „Möglichst immer eine gerade Haltung einnehmen, Schultern zurückziehen und das Gewicht auf beide Füße gleichmäßig verteilen.“ Die Knie leicht beugen, um die Last auf den Rücken zu reduzieren. Bücken und Verdrehen der Wirbelsäule vermeiden. Und erst nach dem Check der eigenen Körperhaltung, den Bewohner mobilisieren.
Physiotherapeut Pietzner bietet bei seinem Arbeitgeber Trainings an, in denen Fachkräfte unterstützende Bewegungstechniken lernen. Ein Augenmerk liegt hierbei auf dem richtigen Stand. „Nehmen Sie die Kraft aus den Beinen, statt aus dem Rücken“, so der Experte. Auch rät er: „Arbeiten Sie als Team, um die Last besser zu verteilen. Zu zweit ist ein Patient viel schneller und (Rücken) schonender mobilisiert!“
Auch wichtig: Regelmäßige Pausen sorgen für kurze Entspannung. Leichtes Stretching und Dehnen, um das Blut in die Muskeln zu pumpen, verhindert zudem Zerrungen.
Hilfsmittel verwenden, Rücken schonen
Pietzner arbeitet mit der TOP-Methode, die in drei Ebenen unterteilt: technisch, organisatorisch und personenbezogen. Hilfsmittel zählen zur technischen Ebene. Der Bewegungscoach weiß, wie selten manche Hilfsmittel verwendet werden. Gründe dafür sieht er im Fachkräftemangel. Auch täten sich viele ältere Pflegekräfte schwer, neue Hilfsmittel auszuprobieren. „Doch durch den Einsatz von Rutschbrettern, Hebekissen oder Tüchern gewinnen Pflegekräfte Zeit“, so der Coach.
Pietzner verdeutlicht: „Bei einer schwierigen Umbettung einer betagten Dame half ein einfaches Rutschbrett mit Haltegriff, sie in den Rollstuhl gleiten zu lassen“. Das verletzte Bein konnte stabil und ohne den Boden zu berühren mobilisiert werden. „Nur mit Muskelkraft hätten schlimme Verletzungen auf beiden Seiten entstehen können.“
Pflegeumgebung anpassen
Um die Hilfsmittel parat zu haben, empfiehlt der Rückenfachmann eine Art Kleiderständer in jedem Zimmer zu platzieren. Bestückt mit Tüchern, Rutschmatten, oder Aufstehhilfen würden die Fachkräfte diese sehen und wären animiert, sie zu nutzen. Auch eine verbesserte Raumausstattung damit Pflegeutensilien und Medikamente gut erreichbar sind, erleichtert das Arbeiten und vermeidet häufiges Bücken. Der Pietzner-Tipp: „Inkontinenzunterlagen und Wundcremes lassen sich wunderbar in einem kleinen Regal auf Augenhöhe verstauen.“