Wer ständig mit Verfall und Tod zu tun hat, neigt leicht zu trüben Gedanken. Das tut aber weder der pflegenden Fachkraft gut, noch ist es hilfreich im Umgang mit den pflegebedürftigen Bewohnern. Deshalb hält der Gestalttherapeut und Theologe Leonhard Fromm sieben Tipps bereit, die die eigene Stimmung hochhalten oder nach Krisensituationen wieder aufhellen und so die mentale Gesundheit verbessern.
Tipp eins: Pflegekräfte sollten ihren Blick nicht auf Mangel und Defizite richten, sondern auf das Erfreuliche: Was war heute schön? Was ist mir besonders gut gelungen? Worüber habe ich mich gefreut? Was kann ich besonders gut? Worin liegen meine Stärken? Das kann das Lob einer Kollegin gewesen sein, eine schöne Begegnung mit Angehörigen, ein drolliges Ereignis mit einer Bewohnerin oder die Vorstellung einer neuen Mitarbeiterin oder eines Praktikanten. Dieser Austausch kann im Team erfolgen, etwa vor der Übergabe, oder zuhause für sich und auf einen Zettel notiert.
Tipp zwei: Störungen und Konflikte sollten nicht „hinuntergeschluckt“, sondern offen angesprochen werden. Dabei geht es nicht darum, einen anderen zu kritisieren oder gar zu beschämen, sondern den eigenen Ärger zu würdigen. Hilfreich ist dabei, konsequent in drei Schritten vorzugehen: Was sind die Fakten? Was ist mein Urteil dazu und schließlich: Welche Gefühle habe ich dazu. Denn, was ausgesprochen ist, kann nicht in uns wuchern, beeinflusst unsere mentale Gesundheit nicht negativ und kann uns deshalb auch nicht bitter machen.
Tipp drei: Die Ursache für Enttäuschungen jeglicher Art sind Erwartungen, zumal, wenn diese nicht zuvor offen kommuniziert wurden. Denn eng mit den Erwartungen verbunden sind Urteile und Unterstellungen wie etwa „das sieht man doch!“, „das macht doch jeder so!“ etc. Eng damit verwandt ist auch die Generalisierung, die allein schon durch ihre Absolutheit falsch ist. Deshalb ist für die eigene Gemütslage besser, nicht zu bewerten, sondern nur wahrzunehmen und sich allenfalls zu wundern, dass jemand etwas offenbar nicht sieht, nicht weiß, anders macht – oder erst gar nicht macht. Das kann hundert Gründe haben, die wir nicht kennen.
Tipp vier: Statt in belastenden Situationen die Geschwindigkeit zu erhöhen, kann es klug sein, dann erst recht für einen Moment Tempo herauszunehmen, innezuhalten und durchzuatmen. Denn in der Regel geht es auch in der Pflege nicht um Leben und Tod, sondern nur um besser oder schlechter, schneller oder langsamer, früher oder später. Und um das bewusst wahrnehmen zu können und gleichsam mit der eigenen Seele nachzukommen, braucht es die kurze Unterbrechung.
Tipp fünf: Weil wir – zum Glück – keine Maschinen sind, können wir nicht ständig und perfekt funktionieren. Deshalb sollten wir unsere Routine durch kleine, bewusst gesetzt Höhepunkte unterbrechen und unsere Erfolge feiern. Wenn zum Beispiel eine Bewohnerin wider Erwarten gut gegessen oder sich selbst angezogen hat. Dann sollte diese Frau gelobt werden und letztlich bringt die Lobende damit ihre eigene Dankbarkeit zum Ausdruck und die Fähigkeit, den Moment zu leben.
Tipp sechs: Mit Humor geht alles besser. So abgedroschen der Satz sein mag, stimmt er dennoch. Für den Alltag auf der Pflegestation heißt das, die Dinge nicht so ernst, gar verbissen, nehmen, sondern gelassen. Eher mit der Haltung: Es hätte alles noch viel schlimmer kommen können. Günstig kann auch eine „paradoxe Intervention“ sein, also die bewusste Überzeichnung. Beispiel: „Wenn morgen noch eine Kollegin krank ist, können wir den Laden dicht machen. Dann legen wir uns alle in die Betten.“ Übrigens gehört auch Singen in diese Kategorie: Es lockert und macht schön und hat einen positiven Einfluss auf unsere mentale Gesundheit.
Tipp sieben: Diese Empfehlung mag kontrovers klingen und doch formuliere ich sie hier angesichts all der Krisen in unserer Welt. Wir haben zu essen, Medikamente, Betten – die Heizung funktioniert und fließend Wasser haben wir auch. Ja, bei allem, was schiefläuft und nicht gelingt: Wir leben in Frieden und Freiheit und unser Gehalt ist monatlich auf dem Konto.