Unter Palliativpflege stellt sich Mancher einen Pfleger vor, der Patienten das Sterben durch Medikamente erleichtert. Dass der Beruf viel mehr als das ist, erklärt Johannes-Christoph König, pflegerischer Leiter der Palliativstation und des palliativmedizinischen Konsildienstes am Universitätsklinikum Köln.
Sterbekultur scheint nach wie vor ein Tabu. „Dabei gehört Sterben genauso zum Leben, wie die Geburt. Ebenso kann der Sterbeprozess mit Schönem verbunden werden“, so König. Palliativpflege schafft genau das: die Lebensqualität der Sterbenden im letzten Lebensabschnitt zu erhalten und zu verbessern, sodass für Patienten und Angehörige schöne Momente entstehen. Bei der Aufnahme auf seinem Bereich erkundigt König sich daher zuerst nach Symptomen der Sterbenden. „Für uns ist es wichtig zu wissen, welche seelischen und körperlichen Schmerzen aktuell am meisten belasten. Danach stufen wir die Behandlung durch Medikamente oder Therapien ein“, erklärt der ausgebildete Gesundheits- und Krankenpfleger.
Lebensqualität verbessern
Anschließend wird sofort gehandelt: Zuerst behandeln die Fachkräfte des Klinikums die Symptome durch passende Medikamente. Da jeder Mensch Schmerz anders empfindet und äußert, kann das richtige Medikamentieren ein paar Anläufe brauchen, bis es passt. Selbst während der Zeit auf der Palliativstation kann sich der Anspruch ans Medikament ändern. Daher befragen die Pflegenden ihre Patienten täglich nach deren körperlichem und seelischem Zustand.
„Mit der medikamentösen Einstellung der Patienten gehen Angebote begleitender therapeutischer Maßnahmen einher.“ Denn Lebensqualität bedeutet eben nicht nur keine Schmerzen zu spüren, sondern Freude am Leben zu haben. „Manche Patienten sterben zwar bei uns, an den anderen Tagen aber leben sie noch“, schmunzelt der 34-Jährige. So gehören zu den Angeboten neben der klassischen psychologischen Begleitung kreative Ansätze, wie Musik-, Mal- oder Tiertherapie. Vor allem die im Uniklinikum neu eingeführte Clown-Therapie bringe Freude und Spaß auf den Palliativbereich. Die spontanen Besuche der Clownin bereichern: „Schön ist, dass sie die Patienten für einen Moment aus ihrem Krankheitsalltag löst.“
Angehörige als Patienten sehen
Ebenfalls Alltag für König ist das Betreuen der Freunde und Familien. Gerade wenn die Lebenszeit der Liebsten nur noch wenige Tage beträgt, benötigen die Angehörigen Beistand. „Wir sehen sie als unsere Patienten“, sagt der Leiter des Palliativbereichs. So können sie dieselben Therapien wahrnehmen und sich auf den Verlust vorbereiten. „Wir stehen in engem Kontakt mit diesen Leuten“, betont König. Das gelte für seine pflegerische Belegschaft, die psychologischen Betreuer und die Trauerbegleiter des Hauses. „Mit ausgebildetem Personal über Ängste zu sprechen, erleichtert oft“, beobachtet der Palliativpfleger. Oft scheuen Patienten und Angehörige sich – aus Angst den Anderen zu belasten – miteinander über Sterben und Tod zu reden. Beide Seiten können auf die Fachkräfte zu jeder Zeit zugreifen.
Mehr als nur Sterbebegleitung
Auf die Frage, wieso palliative Pflege denn mehr als nur Sterbebegleitung ist, antwortet König: „Ganz einfach: das Sterben selbst findet nur an einem Tag statt. Die anderen Tage sind voller Leben.“ Bei der Palliativpflege gehe es schließlich genau darum: einen besonderen und bewussten Lebensabend zu schaffen, damit Patienten im Kreis von Vertrauten möglichst entspannt und schmerzfrei einschlafen können.
„Da seyn … wenn alles gesagt ist.“
Ein Buch über palliative Pflege.
Da ist die motorradfahrende PDL, die einige ihrer Freunde früh verloren hat. Und da ist der erfahrene Palliativ Mediziner, der Einblicke in seine Arbeit gibt. In 25 Interviews berichten Menschen über ihren Alltag in der palliativen Pflege. Von der Reinigungskraft im Altenheim über die ehrenamtliche Helferin bis hin zum Bestatter und einem Einrichtungsleiter antworten alle auf die fünf gleichen Fragen. Was formal klingt, liefert emotionale Einblicke ins Gefühlsleben der Protogonisten. Im Buch lassen die Interviews den Leser teilhaben an der vielschichtigen Palliativarbeit. Eindrucksvoll geht es um Nähe und Distanz und den Umgang mit dem Tod. Angereichert wird das 140 Seiten Werk der Sozialservice-Gesellschaft des Bayerischen Roten Kreuz von 20 Handlungsanleitungen. Es finden sich Anregungen zu Mitarbeiter- und Angehörigen-Care, zur Trauerkultur und es geht um Rituale, die wichtig sind beim Abschied nehmen.
„Da seyn“, kann zum Preis von 16,80 Euro bezogen werden über die Hansa-Buchhandlung, Vorderer Anger 211, Landsberg/Lech, buchhansa@kug.de.