Vor kurzem haben wir hier einen Beitrag zu dem Film „Nicht schon wieder Rudi“, der ohne es explizit zu erwähnen auch das Thema Demenz behandelt, veröffentlicht. Wir haben nun mit Ismail Sahin (Macchiato Pictures), dem Regisseur des Filmes darüber gesprochen, wie ihm die Idee zu diesem Film gekommen ist und was ihn dabei bewegt hat:
Pflege-Today: Was war der Auslöser für Sie einen Film zum Thema Demenz zu drehen?
Ismail Sahin: Den ersten thematischen Berührungspunkt hatte ich tatsächlich beim Gassi-Gehen. Hierbei begegnet man vielen seiner Nachbarn, vor allem denen, die selbst einen Hund haben. Eine Dame aus der Nachbarschaft, die ich fast jeden Tag bei der allmorgendlichen Gassi-Geh-Runde traf, grüßte mich plötzlich von einem Tag auf den anderen nicht mehr. Das konnte ich mir anfangs überhaupt nicht erklären. In den darauffolgenden Wochen ging sie nur noch in Begleitung Ihres Mannes vor die Tür. Dieser grüßte mich auch weiterhin freundlich. Nur sah mich nun seine Frau dabei ganz irritiert dabei an. Auf mich wirkte es, als könne sie mich überhaupt nicht zuordnen. Im Laufe der Zeit schien es ihr körperlich immer schlechter zu gehen, etwa drei Monate später traf ich nur noch ihren Mann auf unserer üblichen Morgenrunde.
Es hat einige Zeit gedauert bis ich ihn bei einer unserer Begegnungen nach seiner Frau fragte. Er erzählte mir unter Tränen, dass seine Frau an Demenz erkrankt und diese Erkrankung dann sehr schnell vorangeschritten sei. Da er sie nicht weiter alleine pflegen konnte, brachte er seine Frau in einer Pflegeeinrichtung für Menschen mit Demenz unter. Ihre Geschichte hat mich persönlich sehr berührt. Ich hatte mir einiges ausgemalt, aber eine Demenz hätte ich nie vermutet. Eben diese Begegnung war für mich der Auslöser und nach intensiver Auseinandersetzung mit dem Thema Demenz ist so die Idee zu „Nicht schon wieder Rudi!“ entstanden.
Pflege-Today: Ihr Film behandelt das Thema, ohne das Wort „Demenz“ auch nur einmal auszusprechen. Was ist die Idee hinter dieser Herangehensweise?
Ismail Sahin: Die Erzählweise war inspiriert durch meine persönliche Erfahrung. Auch ich hatte nicht erkannt, dass hinter dem merkwürdigen Verhalten meiner Nachbarin eine Demenzerkrankung stand. Keiner in der Nachbarschaft hat darüber gesprochen, keiner hat nachgefragt und keiner hat von sich etwas dazu gesagt. Also habe ich mir die Frage gestellt, wie es sich wohl in einer Männertruppe verhielte, wenn sich plötzlich der beste Freund merkwürdig verhält – so ganz anders als man es gewohnt ist. Wir haben uns mit unserem Film bewusst dazu entschieden, nicht die eigentliche Krankheit zu erklären, sondern vielmehr Bilder für sich sprechen zu lassen. So hat der Zuschauer genügend Raum für seine eigene Interpretation und auch die Möglichkeit, sich in die verzweifelte Lage der Protagonisten einzufühlen. Anfangs machen die Protagonisten einiges falsch, finden aber gemeinsam den richtigen Weg und erkennen, was für sie und ihren an Demenz erkrankten Freund am Ende das Wichtigste ist.
Pflege-Today: Im Gegensatz zu anderen Filmen, die von Demenz handelt, ist „Nicht schon wieder Rudi“ explizit dafür gedacht ihn auch Menschen mit Demenz vorzuführen. Was muss man dazu bei der Filmproduktion besonders beachten?
Ismail Sahin: Wir haben „Nicht schon wieder Rudi!“ nicht explizit für Menschen mit Demenzgedreht. Es hat sich eher zufällig ergeben, dass der Film sich auch sehr gut für Betroffene eignet. Bei der Inszenierung und bei der Umsetzung hatten wir von Anfang an ein eher reiferes Publikum vor Augen. Nach intensiver Auseinandersetzung mit den Vorlieben der Zielgruppe haben wir gezielt eine ruhige Erzählart mit lockerem, leichtem Humor gewählt. Dazu kam auch unser persönlicher Anspruch, mit dem Thema Demenz sensible und einfühlsam umgehen zu wollen. Vielleicht ist das einer der Gründe, warum der Film auch bei Menschen mit Demenz funktioniert.
Pflege-Today: Vor Kurzem wurde der Film in Nürnberg vor rund 60 pflegebedürftigen Menschen mit Demenz ausgestrahlt. Wie haben die reagiert?
Ismail Sahin: Es war erstaunlich zu sehen wie sehr sich alle unterhalten gefühlt haben. Viele haben von ganzem Herzen gelacht und man konnte an den einzelnen Reaktionen erkennen, dass ein Großteil des Publikums durch einzelne emotionale Momente im Film sehr bewegt war. Als Filmemacher haben wir uns sehr gefreut, dass unser Film ein so besonderes Publikum tief bewegen konnte.
Pflege-Today: Haben Sie solche Reaktionen erwartet?
Ismail Sahin: Das hatten wir so nicht erwartet. Frau Sabine Distler vom Curatorium Altern gestalten e.V., die diese Veranstaltung ins Leben gerufen hat, hatte uns bereits im Vorfeld darauf hingewiesen, dass die Aufmerksamkeitsspanne und Konzentration bei Menschen mit Demenz auf maximal 25 Minuten begrenzt sei. Daher waren wir sehr erstaunt.
Pflege-Today: Sind noch weitere solcher Vorführungen geplant?
Ismail Sahin: Weitere Veranstaltungen sind derzeit in Planung. Auch eine Veranstaltung für Familienangehörige mit ihren an Demenz erkrankten Verwandten ist derzeit im Gespräch.
Pflege-Today: Herr Sahin, wir bedanken uns für dieses Gespräch!