Wie die Integration von Pflegekräften aus dem Ausland gelingt, zeigt sich am Beispiel des BG Klinikum Hamburg.

Torsten Weiner bringt es auf den Punkt: „Deutschland deckt die steigende Anzahl an Ruheständlern nicht ab. Wir brauchen dringend zusätzlich qualifiziertes Personal in Deutschland“. Das Krankenhaus in Bergedorf geht deshalb einen konsequenten Weg im Recruiting. Im vergangenen Jahr besuchte der Pflegedirektor mit der eigens angestellten Integrationsbeauftragten Marilyn Vargas vier Städte in Mexiko, um neue Pflegekräfte anzuwerben. Mit Erfolg, denn im Herbst dieses Jahres starten 15 mexikanische Kollegen im Pflegebereich des Klinikums. Rund 70 Fachkräfte aus Kolumbien, Albanien, Serbien, Mexiko oder anderen Drittländern wurden bereits seit 2020 rekrutiert. Doch wie gelingt eine gute Integration und was braucht es dafür?

Persönliches Recruiting

Integration in der Pflege
Torsten Weiner, Pflegedirektor BG Klinikum Hamburg

„Der persönliche Kontakt zu den Menschen ist der erste wichtige Baustein“, so Weiner. Das Verständnis für die Kultur des jeweiligen Landes sowie Interesse am Menschen schaffe Vertrauen. Wie pflegen die Mexikaner ihre Alten und wie wird an Schulen und Universitäten unterrichtet? Außerdem würde bei Gesprächen vor Ort schnell klar, ob ein Bewerber es ernst meint.

„Haben Sie schon mit Ihrer Familie über Ihre Pläne gesprochen?“ lautet beispielsweise eine Frage an die Bewerber oder auch „Wieso wollen Sie das Land verlassen?“. Beim Antworten würde vielen bewusst, was für ein großer Schritt der Umzug nach Europa ist. Aber auch das Knowhow von Marilyn Vargas spielt eine Rolle. So hilft die Expertin, die ursprünglich aus Kolumbien stammt, bei ersten Fragen, wenn es um den Aufenthalt in Deutschland geht: Wer unterstützt mich, welche Behördengänge muss ich machen? „Vertrauen ist der Schlüssel, den wir den Menschen bieten können“, so der Hanseat.

Deutschkurs und mehrsprachige WGs fördern Integration

Das Fundament der Eingliederung ist in Hamburg ein stimmiges Konzept zur Integration. Das BG-Klinikum wurde als erste deutsche Klinik 2023 dafür von der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege ausgezeichnet. Doch was heißt das? „Die fachliche und soziale Integration bilden die Grundlage“, so Weiner. Noch in Mexiko werden die Pflegeanwärter in Deutsch unterrichtet, sodass sie mit einer B1- bzw. B2-Klassifizierung hier ankommen. Skype-Telefonate mit zukünftigen Mitarbeitern helfen unterdessen beim Kennenlernen von Kollegen und Sprache. Kommen die angehenden Pfleger nach einem Jahr nach Deutschland, wartet ein warmes Bett und Verpflegung auf sie. „Wir bringen die Fachkräfte in den ersten Monaten in verschiedenen Wohngemeinschaften unter. Dabei ist es uns wichtig, Nationalitäten zu mischen, sodass der Fokus beim Erlernen der deutschen Sprache bleibt“, betont der Pflegedirektor. Hausinterne Deutschkurse, die ein- bis dreimal pro Woche stattfinden, unterstützen dabei. Hierbei sei es wichtig, die Menschen spielerisch und mit Leichtigkeit abzuholen. Weiner erklärt: „Frontalunterricht findet nicht statt, vielmehr gleicht der Spracherwerb einem interaktiven Spielen und Lernen“. Bei Problemen helfen neben der Integrationsbeauftragten auch speziell geschulte Sozialkräfte den Rekruten. So spinnt sich von Beginn an ein Netz der Unterstützung.

Mit Brotpudding und Podiumsrunden

In den ersten Wochen nach Ankunft findet eine Anpassungsqualifizierung statt. Dabei durchlaufen die Anwärter verschiedene Schritte, um Unterschiede in der ausländischen Berufsqualifikation und der hiesigen auszugleichen. Ein Großteil absolvierte in der Heimat Studiengänge. Das Dilemma ist nur, dass diese werden in Deutschland nicht anerkannt werden. „Uns muss klar sein, mit was für einem persönlichen Verlust dies gleichkommt“, betont Weiner.

Das Feiern von Festtagen der jeweiligen Kulturen ist im Klinikum ebenfalls wichtig. Dazu werden Feste im Kalender notiert. So findet sich an Ostern ein leckerer Brotpudding aus Mexiko, die Capirotada, auf dem Speiseplan der Klinikküche. Am „Fest der Nationen“ wiederum wird jedes Herkunftsland beachtet. Oft würde zusammen gegessen, getanzt und gelacht.

Bei hausinternen Podien wie „Pflege mit Akzent“ berichten Referendare aus Albanien oder Mexiko von Pflegebedingungen aus ihrem Heimatland und welche Unterschiede es zur deutschen Pflege gibt. Dabei werde deutlich, wie groß der Mangel im staatlichen Gesundheitssektor oft sei. Die Zahl privater Kliniken steige im Ausland stark an. Diese ließen sich den Pflegeservice teuer bezahlen.

Hauseigene Ausbildungsstation

Im BG-Klinikum öffnet ab April dieses Jahres zudem eine eigene Ausbildungsstation. Internationalen Beschäftigten wird so der Einstieg erleichtert, so die Idee. Auch unterstützen Mentorenprogramme Neuankömmlinge. So lernen diese etwa, wie sie sich ideal am Telefon verhalten und was wichtige Informationen beim Gespräch sind.

In der Station fänden sich ferner keine komplexen Patienten und das Telefon klingele nicht ganz so häufig wie auf einer „normalen“ Station, beschreibt Weiner das Konzept. „Hier ergibt sich ein ganz neues Lernen und Ankommen. Sprachliche oder zwischenmenschliche Barrieren können angeschaut und abgebaut werden“, sagt der Pflegedirektor. Er weiß, Integration dauert bis zu drei Jahren. Sie umfasse das Ankommen, die Qualifizierung und das Aufbauen sozialer Netzwerke. „Nach dieser Zeit hat sich der Lebensmittelpunkt nach Hamburg verlagert und die Leute sind gut integriert“, so Weiner.


Gründe der Auswanderung

In vielen Bundesstaaten Mexikos ist die Gewalt sehr hoch. Verbrechen und Drogendelikte sind an der Tagesordnung. Allein voriges Jahr wurden 32‘000 Tötungsdelikte registriert. Viele Mexikanerinnen haben Angst um ihr Leben und das ihrer Familien. Diese Furcht, die berufliche Perspektive in Deutschland und die soziale Sicherheit sind für viele der Grund für den Wechsel nach Europa. Für uns selbstverständliche Dinge, wie die Rente oder die Fortzahlung des Lohnes bei Krankheit, sind in Mexiko nicht gegeben. Weiner weiß etwa, dass Mexikaner eine Rente nur bis zum Alter von 72 Jahren beziehen. Doch werden sie älter, bekämen sie kein Geld mehr vom Staat und rutschen in Altersarmut. 

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