Gaertnern im Seniorenheim

Christine Baumann reicht die zarten Setzlinge weiter. Betagte Hände umschließen vorsichtig den Sprössling und lassen ihn in eine Mulde im Hochbeet gleiten. Die angehende gartentherapeutische Assistentin bringt Seniorinnen und Senioren das Gärtnern im hohen Alter näher. Im Caritas-Altenheim in Krailling bei München stehen mehrere Hochbeete, während ein angelegter Garten und Kräuterbeete zum Flanieren einladen. Doch was bewirkt das Grün bei den Bewohnern?

Was ist Gartentherapie?

Christine Baumann
Christine Baumann (Quelle: Caritas München)

Gartentherapie ist der gezielte Einsatz von Gartenarbeit zur Förderung der körperlichen und seelischen Gesundheit. Einfaches Gärtnern wie Pflanzen, Pflegen und Ernten spricht die Sinne an, weckt Erinnerungen und hilft dem Körper dabei, fit zu bleiben. „Mit der Natur kann jeder etwas anfangen“, weiß Christine Baumann. Sie stimmt die Arbeit am Beet individuell auf die Senioren ab: Wer kann noch mit einer Schere schneiden? Bei wem sind die Finger noch so fit, um ein Blumengesteck zu binden?
Schürzen und Wägelchen mit Werkzeug stehen im Caritas-Altenheim immer bereit, spätestens alle 14 Tage geht es hinaus in den Garten. Je nach Jahreszeit wird dann gebuddelt und gewerkelt. „Am Ende geht es auch darum, etwas zu vollbringen“, sagt Baumann. Dann stellen die Fachkräfte gemeinsam mit den Bewohnerinnen aus Brennnesseln Tee her oder aus Ringelblumen eine Salbe.

Gesundheit fördern mit Gärtnern

Jeder, der schon einmal ein Beet umgegraben hat, weiß: Gartenarbeit kräftigt Muskeln und Gelenke. Das Greifen, Pflanzen und Halten von Werkzeugen fördert die Hand-Augen-Koordination, was für ältere Menschen besonders wertvoll ist. Gartenarbeit fördert zudem Mobilität und Gleichgewicht und die Gelenke bleiben geschmeidig. All das verhindert Stöße, Stürze und schützt vor blauen Flecken.
Seniorinnen, die im Rollstuhl sitzen, können in Krailling direkt an die unterfahrbaren Hochbeete rollen und loslegen. Aber nicht nur die Sensomotorik wird unterstützt und idealerweise gesteigert – am Beet ist auch Kreativität gefragt. Hinzu kommt: Arbeiten an der frischen Luft verbessert die Sauerstoffversorgung, was wiederum den Kreislauf stärkt. Die angehende Gartentherapeutin betont: „Wir möchten das Wohlbefinden steigern und arbeiten dafür mit den verfügbaren Ressourcen.“

Stressabbau und Stimmungsaufheller

Kontakt mit der Natur kann beruhigend und stimmungsaufhellend wirken. Gerade für ältere Menschen, die häufig unter Einsamkeit, Verlustgefühlen und depressiven Verstimmungen leiden, bietet die Gartentherapie daher eine natürliche Chance, das emotionale Wohlbefinden zu verbessern. Denn der Aufenthalt im Grünen baut Stress ab, das Vogelgezwitscher wirkt beruhigend. Gartenarbeit fördert zudem das Selbstwertgefühl und die Achtsamkeit, das betont auch die Mitarbeiterin in der sozialen Betreuung: „In sich gekehrte Leute blühen oftmals auf, wenn wir mit ihnen Zeit im Garten verbringen.“

Interaktion und Gemeinschaftsgefühl

Zusammen zu gärtnern, hilft gegen Einsamkeit und fördert den Gemeinschaftssinn. In Krailling werden die sozialen Bindungen durch die Gartenprojekte gestärkt. Durch das gemeinsame Stecken bunter Herbstkränze, das Befüllen von duftenden Lavendelsäckchen oder das Ernten der gepflanzten Radieschen beschenkt sich die Gruppe selbst. „Radieschen-Brote schmecken aus eigenem Anbau noch viel besser!“, lacht Baumann. Und für die gebastelten Kränze und Säckchen gibt es viel Lob von Angehörigen und Mitbewohnenden.
Für viele aus der heutigen Rentnergeneration war der Hausgarten Nahrungsquelle – oder auch ein Ort mit Heilwirkung, in dem Melisse, Salbei und Sauerampfer wuchsen, die Schmerzen linderten. „Viele wissen einiges über die Heilkräfte der Gartenkräuter“, beobachtet die Expertin. Doch vieles davon sei im Gedächtnis vergraben und wandere erst durch die Stimulation mehrerer Sinne wieder ins Bewusstsein.

Gärtnern als Gedächtnistraining

Weil Aufgaben im Garten ein gewisses Maß an Planung und Gedächtnisleistung erfordern (Was für Werkzeug benötigen wir? Wann können wir pflanzen und ernten?), trainieren Gartenroutinen auch das Gedächtnis. Wer sich Arten und Gattungen von Pflanzen einprägt, macht somit gleichzeitig Gehirn-Jogging. Zudem verbessert Planen und Beobachten des Pflanzenwachstums die kognitiven Fähigkeiten. Hinzukommt: Durch die Gartentherapie lassen sich alle Sinne ansprechen. Das Berühren feuchter Erde, das Riechen von Kräuterduft und das Schmecken von süßen oder sauren Früchten kann sich speziell bei demenziell erkrankten Menschen positiv auswirken.

Verantwortung und Tagesstruktur

Durch die Gartenarbeit können Ältere (wieder) Verantwortung übernehmen und eine sinnvolle Aufgabe ausüben. Die tägliche Versorgung der Pflanzen gibt ein Gefühl für Zeit und Tagesstruktur. Das hilft, die Sinnhaftigkeit zu erhöhen, und auch die Selbstwirksamkeit profitiert. „Viele entwickeln durch das Buddeln am Hochbeet wieder einen Bezug zu sich selbst und gewinnen positive Gedanken und Gefühle“, so Baumann.

Leave a Reply