Bis 2035 fehlen laut des Instituts der deutschen Wirtschaft deutschlandweit circa 500.000 Pflegekräfte. Der Grund: Senioren werden immer älter und müssen somit auch länger gepflegt werden. Dem gegenüber steht der Mangel an aktuellen sowie an angehenden Fachkräften. Es gilt also umzudenken, sodass die nächsten Jahrzehnte nicht in einer humanitären Krise enden. Wie Pflegeeinrichtungen Schüler und Quereinsteiger für die Branche langwirkend begeistern können, haben wir hier zusammengetragen:
Aktionen für mehr Aufmerksamkeit
Was die Pflege braucht, ist mehr Aufmerksamkeit. Sowohl zur Aufklärung über die Tätigkeit an sich. Aber auch über die Möglichkeiten der Weiterbildung in der Pflege, die Berufsstartern oftmals nicht bekannt sind. In einfachen Worten: Die Pflege braucht mehr Werbung. Dafür eignen sich Infoveranstaltungen gut, die für die potenziellen Berufseinsteiger interessant und anregend gestaltet sind. So zeigt sich etwa die Klinikgruppe des Christophsbad aus Göppingen bei der lokalen „Nacht der Ausbildung“ innovativ, in dem sie die Anwerber an ihrem Info-Stand in die Pflege eintauchen lassen. Einerseits durch Gespräche mit Auszubildenden, anderseits mit praktischen Übungen: Die Interessenten können selbst aktiv werden und ihre Fähigkeiten zur Wiederbelebung an einer Puppe mit Atmungssimulation testen. Auch der Selbstversuch bei der Vitalmessung kommt bei den möglichen Pflegekräften von Morgen gut an. „Solche Events sind extrem wichtig“, weiß Christian Graziosa, Geschäftsbereichsleiter Personal im Christophsbad. Denn so können Interessenten den Beruf hautnah erleben und sich bei Fragen direkt an das zuständige Personal wenden.
Einen anderen Weg, um die Generation Z für die Pflege anzuwerben, zeigt die Berliner Charité. „Wer den Fachkräftenachwuchs für eine Karriere im Gesundheits- und Pflegebereich begeistern möchte, muss junge Menschen über das Medium ansprechen, das in ihrem Alltag sowieso eine zentrale Rolle spielt: Games“, so Çiğdem Uzunoğlu, Chefin der Stiftung Digitale Spielekultur. Gemeinsam gestalten die Charité und die Stiftung Digitale Spielekultur daher ein Spiel, in dem Interessente virtuell die Rolle einer Pflegekraft übernehmen. Sie erleben den Pflegealltag, können sich ein Bild von den Herausforderungen und Erfolgen machen. Und sich im besten Fall dafür entscheiden, den Beruf in der realen Welt zu lernen.
Gemeinsam optimierte Pflegebedingungen schaffen
Überstunden, Unterbesetzung, Schichtdienst und zu wenig Gehalt – oftmals sind potentielle Anwerber von den im Vergleich schlechten Arbeitsbedingungen abgeschreckt. Doch das Problem will die Politik angehen. „Wir wollen als Bundesregierung die Probleme lösen. Wir wollen konkret im Arbeitsalltag der Pflegekräfte etwas verändern“, sagte der ehemalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn schon 2018. Um den Beruf attraktiver zu machen, gibt es seitdem erste Versuche zur Optimierung, wie das „Sofortprogramm Pflege“ oder die „Konzertierte Aktion Pflege“. Zu den bisher durchgeführten Maßnahmen gehören die Einführung von Tarifverträgen, Förderungen der Bundesagentur der Arbeit für berufliche Weiterbildungen, zusätzliche Befugnisse für das Pflegefachpersonal in der Versorgung der Pflegebedürftigen oder die generalistische Ausbildung. Interessenten darauf hinzuweisen, was sich in den zurückliegenden drei Jahren getan hat und dass es durch die Programme potentiell noch mehr Optimierungen in naher Zukunft gibt, kann den Beruf ansprechender machen. Und im Kleinen kann jede Einrichtung noch zusätzlich die Bedingungen verbessern. Beispielsweise durch ein wertschätzendes Mitarbeiterfrühstück oder einen wunschorientierte Dienstplan.
Im Praktikum überzeugen
Den ersten und wichtigsten Eindruck vom Pflegealltag bieten Praktika. „Ein Praktikum als ganz praktisches Reinschnuppern in den Beruf bietet jungen Menschen die Chance auszuprobieren, ob der Pflegeberuf zu ihnen passt und ob sie sich vorstellen können, diesen in späteren Jahren auszuüben“, so Pflege- und Gesundheitsstaatssekretär Thomas Götz. Gerade nach den zwei Jahren Pandemie sei es wichtig, dass Praktika in den Pflegeeinrichtungen wieder angeboten werden.
In den Schnupperwochen gilt es die Praktikanten zu unterstützen, im Team zu integrieren und eine angenehme Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Außerdem hilft es, das Praktikum vorzubereiten: Einrichtungen können Infomaterialien bereitlegen, Ansprechperson zuteilen und Gesprächstermine anbieten. So kann ein Praktikum Interessenten überzeugen, dass sie sich im Anschluss für eine Ausbildung in der Einrichtung entscheiden.
Karrierewege anbieten und begleiten
Nach der Grundausbildung muss noch lange nicht Schluss sein. Denn die Pflege bietet viele Chancen zur Weiterbildung, sowie zum Karriereaufstieg. Einrichtungen sollten die Weiterbildungen zugänglich machen und unterstützen sowie Aufstiegsoptionen von Anfang an vorzeigen und Mitarbeitende dann Schritt für Schritt bei ihrer Entwicklung begleiten. Denn das macht den Beruf langfristig für Auszubildende interessant und hält sie in der Branche. „Mit der Unterstützung meines Arbeitgebers konnte ich mich stetig auf die nächste Stufe arbeiten. Heute bin ich Wohnbereichsleiterin, Praxisanleiterin und besuche aktuell eine Weiterbildung zur Palliativfachkraft“, sagt Barbara von der Wettern, Wohnbereichsleiterin im Seniorenwohnen Kieferngarten in München. Gestartet hat die 41-Jährige mit 18 Jahren als Stationshilfe in den Ferien.