Rund 1,6 Millionen über 60-Jährige in Deutschland sind mangelernährt
In Deutschland sind 1,6 Millionen der über 60-Jährigen mangelernährt, so das Gesundheitsamt Bremen. Erschreckende Zahlen, wenn man bedenkt, dass die richtige Ernährung im Alter essenziell für das Wohlbefinden und die Lebensqualität ist.
Ernährung als Baustein guter Lebensqualität
Für Senioren zählt es, lange gesund und aktiv zu bleiben, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, sowie selbstbestimmt und würdevoll zu altern. Grundbaustein dafür ist die richtige Ernährung. Dazu zählt nicht nur die Menge, sondern auch die Art der Lebensmittel, die sich Senioren zuführen. So wird zwischen der quantitativen und qualitativen Mangelernährung unterschieden.
Viele sind zu dick
„Viele ältere und hochbetagte Menschen leiden unter einer quantitativen Mangelernährung: Sie führen ihrem Körper über die Nahrung nicht mehr genügend Kalorien zu, wodurch es zu einer Unterversorgung kommen kann“, so Anna Engberg in einem Online-Ratgeber. Dass sich Senioren quantitativ mangelernähren, zeigt sich körperlich durch Gewichtsabnahmen. Hingegen ist die qualitative Mangelernährung nicht unbedingt sichtbar. Hier nehmen Betroffene zu wenig Eiweiße, Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente zu sich. Dazu zählen Fehlernährungen durch den vermehrten Verzehr von fett- und zucker-lastigen Speisen. So stellt das deutsche Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft fest: „68,2 Prozent der über 65-jährigen Männer und 56,3 Prozent der Frauen dieser Altersgruppe sind übergewichtig oder leiden sogar unter Adipositas.“ Das zeigt deutlich, dass die Ernährung im Alter genauer unter die Lupe genommen werden muss. Für Betroffene könnte es sonst zu gravierenden Folgen kommen.
Folgen einer Mangelernährung
Die Formel ist einfach: Fehlt es an Nährstoffen, kann der menschliche Körper nicht richtig arbeiten. Mangelernährte Senioren sind also nicht nur schwach und infektionsanfällig, sondern verlieren außerdem an Gewicht. Auch die kognitiv-geistigen, psychischen und motorischen Körperfunktionen lassen nach. So steigt letztendlich das Risiko für Stürze und Brüche, die verlangsamt abheilen. Bei dauerhafter Mangelernährung kommt es zur Störung der Organfunktionen und zum erhöhten Sterblichkeitsrisiko.
Gründe der fehlerhaften Ernährung
Selten ernähren sich Senioren bewusst schlecht oder unzureichend. Der Mangel an Nährstoffen kann viele Gründe haben. Im Alter lässt das Appetit- und Durstgefühl nach, Kau- und Geschmacksempfinden verändern sich. Auch persönliche Lebensumstände, wie Trauer, Armut oder eine fehlende infrastrukturelle Versorgung können Grund der nicht ausreichenden Ernährung sein. Fehlende Aufklärung spielt ebenfalls mit. „Es ist Tatsache, dass der Energie- und Nährstoffbedarf im hohen Lebensalter entgegen der langläufigen Überzeugung nicht abnimmt, sondern gleichbleibt“, macht Engberg klar. Bei zuhause lebenden Bewohnern sollten die Angehörigen ein Auge auf die Ernährung ihrer Liebsten werfen. Im Altenheim übernimmt das die Belegschaft, die auf das Essverhalten im Alter geschult sein sollte.
Ernährungsanpassung bei Beeinträchtigungen
1.Demenz:
Bei Senioren mit körperlichen Beeinträchtigungen kommt es vermehrt zur fehlerhaften Ernährung. Vor allem bei der Volkskrankheit Demenz. Mahlzeiten werde zur Reizüberflutung oder gar vergessen. Für dementiell Erkrankte ist es besonders wichtig, Hilfestellung bei den Mahlzeiten zu erhalten und im ruhigen Umfeld zu Mittag oder zu Abend zu essen. „Menschen mit Demenz entwickeln manchmal äußerst spezielle Geschmacksvorlieben, da sich die Geschmackswahrnehmung durch die Krankheit komplett verschieben kann“, schreibt Engberg. Da Hunger und Durst von Betroffenen verringert wahrgenommen oder gar kein Wohlbefinden durch Essen mehr gespürt wird, kommt es als Folge zur Nahrungsverweigerung. Im Extremfall hilft nur noch die enterale Ernährung per Sonde.
2. Kau- oder Schluckbeschwerden:
Können Senioren Nahrung und Flüssigkeiten nicht mehr selbstständig kauen und schlucken, führt das zur Mangelernährung. „Empfehlenswert ist weiche, aber nicht zu flüssige Kost“, sagt Pflegeexpertin Engberg. Pürierte Mahlzeiten oder Trinknahrung sind hier der richtige Weg. Und auch eine regelmäßige Überprüfung der Zahnprothesen.
3. Diabetes:
In Deutschland liegt das mittlere Alter für Typ-2-Diabetes – so die deutsche Diabetes-Hilfe – bei 61 Jahren. Bei dieser Beeinträchtigung sollten Betroffene Lebensmittel mit niedrigem glykämischem Index zu sich nehmen und möglichst auf Fett verzichten. So sind Reis, Hülsenfrüchte, Obst und Gemüse – also ballaststoffreiche, aber fettarme Produkte – für Diabetes-Erkrankte essenziell.
Qualitätsstandards in der Seniorenverpflegung
Um die Verpflegungsqualität in Senioreneinrichtungen sowie von Essen auf Rädern deutschlandweit zu sichern und zu verbessern, setzt sich das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft unter dem Aktionsplan „In Form – Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung“ ein. Ernährung umfasst dabei nicht nur den Faktor Gesundheit, sondern auch soziale Teilhabe und Genuss. „Mahlzeiten sind oft Höhepunkte im Alltag älterer Menschen“, schreibt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft auf seiner Website.
Inhalt des Qualitätsstandards sind eine gesundheitsfördernde Lebensmittelauswahl, Angaben zur Speisenplanung- und Herstellung, sowie zur Nährstoffzufuhr für Senioren. Bei der Umsetzung des Standards helfen Vernetzungsstellen für Seniorenernährung, die bundesweit verfügbar sind. Sie setzen sich für das Konzept auf lokaler Ebene ein, schulen Einrichtungsleitende und Mitarbeitende von Senioreneinrichtungen.
Auf diese Nährstoffe Fokus legen
Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte und Seefisch sind reich an Jod, Folsäure und Vitamin D und stärken die Knochen. Ebenfalls in Fisch enthalten, gehen Omega-3-Fettsäuren aktiv gegen Entzündungen, wie Rheuma oder Arthrose, im Körper vor und unterstützen das Herz-Kreislaufsystem. „Eat the Rainbow“, rät Tatjana Brückner, Pflegeexpertin vom Netzwerk Pflege zuhause. Je bunter und vielseitiger eine Mahlzeit mit frischen, gesunden Lebensmitteln gestaltet ist, desto besser. Besonderes Augenmerk sollten Senioren auf den Eiweißhaushalt legen. „Da der Körper keine Eiweißspeicher besitzt, macht sich ein Mangel an Eiweiß rasch bemerkbar: Es kommt zum Abbau der Muskelmasse und allgemeiner körperlicher Schwäche“, schließt Carla Krellner, Fachkrankenschwester für klinische Ernährung.