Die Altersmedizin ist stärker an dem Erreichen der funktionellen Unabhängigkeit älterer Menschen als an ihren Diagnosen oder Laborbefunden orientiert. Geistige Leistungsfähigkeit und körperliche Mobilität stellen dabei zwei wichtige Zielbereiche da.

Lesen Sie hier den ersten Teil des im CareTrialog erscheinen Interviews mit Prof. Dr. med Hüll zur Zukunft der Altersmedizin.

Prof. Dr. med. Michael Hüll: „In den letzten 60 Jahren ist die Lebenserwartung um etwa zehn Jahre gestiegen, nicht zuletzt auch ein Erfolg der Altersmedizin. Jetzt kommt es besonders darauf an, den gewonnenen Jahren Lebensqualität zu geben.“

Was bedeutet für Sie die Altersmedizin, wodurch zeichnet sie sich aus, was sind die ausgewiesenen Ziele?

Prof. Dr. Michael Hüll: Die Altersmedizin ist stärker an dem Erreichen der funktionellen Unabhängigkeit älterer Menschen als an ihren Diagnosen oder Laborbefunden orientiert. Geistige Leistungsfähigkeit und körperliche Mobilität stellen dabei zwei wichtige Zielbereiche da.

Ein Krankenhausaufenthalt ist für ältere oder pflegebedürftige Menschen sehr häufig ein starker Einschnitt, der nicht selten schwerwiegende physische und psychische Auswirkungen hinterlässt, da die Betroffenen aus ihrer angestammten, vertrauten Umgebung und aus ihrem (routinierten) Alltag gerissen werden. Was sind die häufigsten, unerwünschten Auswirkungen von Krankenhausaufenthalten bei älteren Patienten?

Prof. Dr. Michael Hüll: Krankenhausaufenthalte werden ja zumeist durch eine akut aufgetretene oder dekompensierte chronische Erkrankung bedingt. Häufig verschlechtert sich der Zustand noch nach der stationären Aufnahme weiter, da das ins Rutschen geratene Gesundheitsgefüge nicht so rasch stabilisiert werden kann. Zusätzlich kommen noch die Risiken von in Krankenhäuser erworbenen Infektionen oder Stürzen in ungewohnter Umgebung hinzu.

Acht Millionen Menschen im Rentenalter werden pro Jahr stationär in deutschen Krankenhäusern aufgenommen. Jeder fünfte von ihnen, schätzen Studien, rutscht dabei sogar in ein Delir und in eine (deutlich) stärkere Pflegebedürftigkeit. Warum ist das so, und welche Personen sind besonders gefährdet und was sind die gravierendsten Auswirkungen?

Prof. Dr. Michael Hüll: Das Alter an sich ist ein Risiko für ein Delir, so sind Kleinkinder und Hochaltrige besonders häufig davon betroffen. Zusätzlich sind Fieber, neuangesetzte Medikamente und Wechselwirkungen bei multiplen Medikamenten, ein Blutverlust oder ein Organversagen Risikofaktoren für ein Delir. Ein Delir ist leider nicht nur ein „Durchgangssyndrom“, das folgenlos vorbei geht. Heute wissen wir, dass Delire auch längerfristig die geistige Leistungsfähigkeit beeinträchtigen und der Anfang einer dementiellen Entwicklung sein können.

Wie kann man den negativen Effekten von Krankenhausaufenthalten entgegenwirken (spezielle Pflegeprogramme, spezielles Pflegepersonal/Pflegeteams, spezielle Abteilungen, interdisziplinäre Vernetzung)?

Prof. Dr. Michael Hüll: Zum einen spielt sicherlich die Eingrenzung von in Krankenhäusern erworbenen Infektionen eine Rolle. Zum anderen kann durch Reorientierungsmaßnahmen (Uhren und Kalender im Patientenzimmer) und reorientierenden Hilfestellungen des Pflegepersonals sowohl das Auftretenden als auch die Schwere deliranter Syndrome reduziert werden. Ein spezifisch geriatrischer Blick auf Multimedikation oder bei der Nutzen/Risikoabwägung von Eingriffen sowie eine möglichst stationszentrierte Versorgung ohne vielfache Zimmerwechsel oder Verlegungen zwischen Abteilungen ist sinnvoll.

 

Als psychiatrische Fachkrankenhäuser versorgen die Zentren für Psychiatrie Baden-Württemberg psychisch kranke Menschen mit einem hochprofessionellen Portfolio stationärer, teilstationärer und ambulanter Behandlungsangebote. Vielerorts betreiben sie ausgelagerte Tageskliniken und Satelliteneinheiten und ermöglichen dadurch eine gemeindenahe Versorgung. Weiterhin wirken sie am Aufbau regionaler Verbundstrukturen aktiv mit – als Partner im Gemeindepsychiatrischen Verbund (GPV) und im regionalen Suchhilfenetzwerk. Mit der Einrichtung Psychiatrischer Institutsambulanzen wurde das Versorgungssystem im Land um einen weiteren wichtigen Baustein erweitert. Die Zentren für Psychiatrie Baden-Württemberg beschäftigen rund 10.000 Mitarbeitende in unterschiedlichen Berufen. Als rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts bieten sie vielfältige, attraktive und anspruchsvolle Angebote sowie Einsatzmöglichkeiten. Detaillierte Informationen unter www.psychiatrie-bw.de.

ProfHuell

Prof. Dr. med. Michael Hüll, MSc, ist Chefarzt der Klinik für Geronto- und Neuropsychiatrie am Zentrum für Psychiatrie am Standort Emmendingen. Noch in diesem Jahr (voraussichtlich Mitte 2016) soll hier der Neubau der Klinik für Gerontopsychiatrie mit einem Tag der offenen Tür eröffnet werden

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