Wohngemeinschaften: Was für Studenten ein verbreitetes Wohnkonzept ist, gewinnt zunehmend für Senioren an Beliebtheit. Vor allem für dementiell Erkrankte kann das Zusammenleben wertvoll sein. Lesen Sie hier, wie eine Demenz-WG aussieht, was das Zusammenleben an Vorteilen bringt und kostet.
Viele Angehörige betreuen Oma, Vater oder Lebenspartnerin in den eigenen vier Wänden. Mit dem Vorteil, dass dementiell Erkrankte so ein Leben in vertrauter Umgebung genießen können. Oftmals kommt es ab einem gewissen Grad der Demenz aber zur Überforderung der Pflegenden. Dann gilt es abzuwägen, wo der oder die Liebste unterkommen und Hilfe bekommen kann. Denn niemand möchte Familienmitglieder einfach abschieben. Eine Alternative könnte die Demenz-WG sein.
Was ist eine Demenz-WG?
Knapp zusammengefasst: Neun bis zwölf dementiell Erkrankte leben in einer großen Wohnung, die von einem ambulanten Pflegedienst rund um die Uhr betreut wird. Die Aufteilung ist dabei ähnlich, wie in herkömmlichen Wohngemeinschaften. Die Senioren mieten ihre Zimmer, die sie nach Belieben gestalten können. Neben dem individuellen Wohnraum gibt es anteilig genutzte, allgemeine Räume. So beispielsweise Bad, Küche und Wohnzimmer. Neben dem eigenen Hausrecht und der Schlüsselgewalt, dürfen sie auch über neue Mieter bestimmen. Oder die Angehörigen entscheiden für sie mit fortschreitender Krankheit.
„In den vergangenen 20 Jahren sind in Deutschland zahlreiche ambulant betreute Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz entstanden“, gibt die Deutsche Alzheimer Gesellschaft online bekannt. Der Unterschied zum Seniorenheim: Mietvertrag und Pflegevertrag sind unabhängig voneinander. Außerdem fallen für Angehörige Aufgaben an. Sie engagieren den ambulanten Pflegedienst für ihre Liebsten, verwalten die WG und kümmern sich um Einkauf, Sauberkeit und Co.
So etwa in der Wohngemeinschaft Oberhaching. Hier bestimmt kein Träger, wie der Alltag aussieht, sondern das sogenannte „Angehörigen-Gremium“ verwaltet die WG. Neun dementiell erkrankte Frauen leben zusammen, drei ambulante Pflegekräfte betreuen die Seniorinnen. Die Angehörigen kümmern sich um alles außerhalb der Pflege – zum Beispiel organisieren sie Einkaufs- und Essenspläne. Durch den Invest der eigenen Zeit fallen keine Verwaltungskosten an und das „gutgemachte“ Geld kann in den Pflegedienst investiert werden.
„Mit der Zeit haben wir gemerkt, welche Verantwortung dahintersteckt. Und auf der anderen Seite ist das, was alle von uns wollen: Mitarbeiten, dabei sein und die ganze Sache leiten“, so Jutta Reitmeier, die ihre Mutter in der Frauen-Demenz-WG in Oberhaching eingemietet hat. Der BR24-Bericht über die Wohngemeinschaft nennt das Konzept sogar den „neuen Weg in der Pflege“.
Worin liegen die Vorteile?
Lebensqualität ist das Stichwort und der Sinn hinter einer Demenz-WG. „Dazu trägt ein normaler Tagesablauf bei, der vom ambulanten Pflegedienst durch gemeinsame Mahlzeiten und Aktivitäten strukturiert wird“, so die Deutsche Alzheimer Gesellschaft. Dabei werden die Senioren in ihren Fähigkeiten gefördert, zur Selbstständigkeit animiert und im Alltag unterstützt. Individualität ist großgeschrieben – sowohl bei den Wünschen zum Betreuungsprogramm als auch beim Tagesrhythmus. Und das ist es, was die Wohngemeinschaft wohl am meisten von einer Senioreneinrichtung abhebt.
Die fast schon familiäre Struktur bringt Vertrauen, Wärme und beugt Isolation vor. Nicht nur für die Senioren selbst. Auch Angehörigen hilft die WG. Denn das Konzept nimmt ihnen das Gefühl des Abgebens und die damit einhergehenden Schuldgefühle. Außerdem können sie Erfahrungen und Gefühle mit anderen Angehörigen teilen, die genau dasselbe durchmachen.
Was kostet so eine Wohngemeinschaft?
Kosten entstehen durch Miete, Pflege und Betreuung, Verpflegung, Anschaffungen und Instandhaltung der Wohngemeinschaften. Die genauen Kosten sind also abhängig vom Wohnraum, sowie der Auswahl des ambulanten Pflegediensts. Für eine Demenz-WG liegt außerdem die Anstellung einer gerontopsychiatrischen Pflegefachkraft nahe. Dafür müssen Angehörige zwar etwas tiefer in die Tasche greifen, aber die Fachkraft ist eben speziell für die Krankheit ausgebildet. Und kann damit noch mehr zum Erhalt der Lebensqualität der dementiell Veränderten beitragen.
Generell entstehen ungefähr die gleichen Kosten, wie für einen Platz im Pflegeheim. Der Unterschied für die Angehörigen liegt im eigenen zeitlichen Aufwand: In einer Demenz-WG müssen sie mitwirken, während in herkömmlichen Senioreneinrichtungen alle Tätigkeiten übernommen werden. Finanziell gibt es im Bestfall sogar Unterstützung.
„Pflegebedürftige, die in einer WG leben, in der mindestens drei Pflegebedürftige wohnen, können unter bestimmten Voraussetzungen monatlich 214 Euro als Wohngruppenzuschlag erhalten“, weiß die Deutsche Alzheimer Gesellschaft. Um eine Demenz-WG aufzubauen, können Senioren des Pflegegrades 2 Mittel von bis zu 2500 Euro sowie zusätzliche Gelder für Wohnraumanpassungen erhalten.
Diese Anpassungen beinhalten bei dementiell Erkrankten jedoch mehr als nur Barrierefreiheit. Neben den klassischen Vorkehrungen, wie dem Beseitigen der Stolperfallen, braucht eine Demenz-WG besondere Ausstattung. „Zum Beispiel Bewegungsmelder oder eine Vorrichtung zum Überwachungsschutz, die anschlägt, sobald ein Bewohner das Gebäude oder Grundstück verlässt“, schlägt das Online-Portal „Mit Pflege leben“ vor.