Achtsamkeit in der Pflege

„Mit dem Anti-Stress-Quickie schafft es jeder“, sagt Jasmin Beck. Die Sporttherapeutin der AOK kümmert sich in der Krankenkasse um Prävention und Entspannung, schult Führungskräfte sowie Menschen, die in der Pflege arbeiten. „Der Anti-Stress-Quickie ist der kurze Moment, um zur Ruhe zu kommen“, so die Expertin über die Übungen zur Achtsamkeit. Das kann beispielsweise der Moment sein, in dem man aus dem Fenster ins Grüne schaut und den Blick schweifen lässt.

Kleine Pausen, große Wirkung

Oder der erste, bewusste Schluck aus der Kaffeetasse. Diesen wahrzunehmen, wie der Kaffee oder Tee schmeckt, wie die warme Flüssigkeit den Hals hinunterfließt, das alles dauert kaum länger als drei Sekunden. „Es ist aber eine einfache Achtsamkeitsübung, die uns beruhigt“, so Beck, die unter anderem in Altenheimen und der ambulanten Pflege Fachkräfte schult.

Gedanken rasen

Denn oft sind in stressigen Berufen die Leute mit ihren Gedanken bei Vergangenem – oder sie planen bereits den nächsten Arbeitsgang. So überlegen Altenpflegerinnen, ob sie beim vorigen Bewohner die Medikamente richtig gegeben haben, während sie den Menschen vor sich zum Aufstehen animieren. Im nächsten Augenblick rasen die Gedanken in die Zukunft: Was muss ich gleich im Dienstzimmer dokumentieren? Und werde ich heute meine Frühstückspause machen können? Klingelt dann noch der Alarmknopf oder das Telefon, entsteht Stress. Ist diese Belastung ein Dauerzustand, droht schlimmstenfalls physische und psychische Erschöpfung.

Achtsamkeit ist Entspannung fürs Gehirn

Jasmin Beck, AOK

„Wer geistig immer unter Volllast arbeitet, kommt nicht zur Ruhe“, verdeutlicht Beck. Dabei sorgen genau diese kurzen Ruhepausen für Entspannung im Gehirn. Wer es schafft, sich Sekundenpausen zu gönnen, trainiert seine Achtsamkeit. Schaffen es Pflegekräfte zudem, nach der Arbeit zur Ruhe zu kommen, steigt die persönliche Resilienz. „Wobei es nicht zwangsläufig darum geht, sich körperlich auszuruhen“, so Beck, die auch als Yogalehrerin aktiv ist. „Ich zum Beispiel gehe mehrmals die Woche joggen, mache Zumba und tanze viel, um den Kopf freizubekommen“, verdeutlicht die Expertin. Anderen hilft es, eine halbe Stunde zu meditieren, im Garten Unkraut zu zupfen oder spazieren zu gehen.

Ich-Momente kreieren

„Was einem genau hilft, muss jeder für sich austesten“, rät Beck und weist darauf hin, dass auch ein Wechsel aus aktivem Erholen durch Bewegung mit dem Ausruhen auf dem Sofa oder dem Hören des Lieblingslieds bei der Heimfahrt möglich ist. Bei vielen sei es tagesformabhängig, was ihnen guttue. Wichtig sei jedoch, sich diese „Ich-Zeit“ zu nehmen bzw. ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass es Zeit ist für das eigene Bedürfnis. Helfen könne dabei ein Sticker oder Post-it, der einen an den Ich-Moment erinnere. Allerdings dürfe der Zettel oder Button nicht länger als zwei bis drei Wochen an derselben Stelle kleben. „Dann gehört das Erinnerungsstück zum Inventar und verliert seine Wirkung“, so die Fachfrau. Es braucht einen neuen Platz, um uns zu sagen: „Jetzt ist es Zeit, kurz das Hirn anzuhalten!“

Alltagsstrategien für kurze Achtsamkeit-Pausen

Wer sich die Ich-Pause im Alltag und unter Beobachtung von Chef, Kolleginnen oder Klienten nicht traut, kann seine Auszeit auch auf dem WC nehmen. „Das auf-die-Toilette-gehen ist gesellschaftlich akzeptiert“, sagt Beck. Man könne dorthin gehen, auch wenn man gar nicht muss. Im Übrigen reiche es aus, zweimal am Tag eine Übung zur Achtsamkeit Achtsamkeit in die Arbeit einzubauen. Also auf keinen Fall sich selbst Druck machen. Und wer es einmal vergisst? Kein Problem! Mit sich selbst gnädig zu sein, ist ebenfalls eine Achtsamkeitsübung. Fachleute reden bei Achtsamkeitstraining übrigens davon, den Wachheits- oder Vigilanzgrad zu regeln. Wird dieser heruntergefahren, nähern wir uns also vom Wachen Richtung Schlafen, und das verändert die Gehirnströme. „Wir entspannen“, so Beck. Das innere Gedankenkarussell kommt zur Ruhe.

Signale an die Umwelt

Wer es schafft, achtsamer mit sich zu sein, sendet damit gleichzeitig Signale an seine Gegenüber. Statt in Gedanken in einer anderen Zeit zu hängen, sind achtsame Menschen zugewandt. „Das hat etwas mit Wertschätzung zu tun“, sagt AOK-Expertin Beck. Wem es gelingt, im Gespräch oder bei Routinetätigkeiten im Jetzt zu sein, signalisiert: Du bist mir wichtig. Zur körperlichen Anwesenheit kommt dann die geistige hinzu. Was am Ende auch auf den Sinn einzahlt. Wer mehr Momente im Alltag bewusst wahrnimmt, gestaltet seine Arbeit sinnhafter.

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