Sind Pflegekräfte am Wochenende im Einsatz, haben sie manche Hürde zu nehmen, die unter der Woche nicht im Weg steht. Da sind zum Beispiel Angehörige, die an Sonn- und Feiertagen ins Haus kommen. „Das sind oft Familienmitglieder, die außerhalb wohnen und extra anreisen“, verdeutlicht Susanne Lampl, Pflegedienstleiterin im bayerischen Seniorenwohnen in Murnau. Und oft wollen diese Angehörigen gut informiert sein. Dazu gehört, ihnen einen Blick in die Dokumentation zu gewähren oder mit ihnen zu besprechen, was in der kommenden Zeit mit ihrem Vater oder ihrer Mutter an Aktivitäten geplant ist.
1 Bedürfnisse der Besucher kennen
Hintergrund ist, dass Wochenendbesucher meist nur telefonisch Kontakt zur Pflegeeinrichtung haben. „Sind sie dann einmal im Haus, wollen sie vieles sehen und erklärt bekommen“, weiß Lampl, die als examinierte Fachkraft viele Jahre an Wochenenden Dienste hatte. Ihr Rat: „Genügend Zeit für diese Besucher einplanen“. Wer hier ungeduldig wird oder ständig auf die Uhr schaut, handele sich mitunter Beschwerden ein. Das können Altenpfleger vermeiden, indem sie sich vor Augen halten, welche Bedürfnisse Angehörige haben. Gleichwohl sollten sie sich abgrenzen können. „Nur, weil ein Besucher selten ins Heim kommt, darf er einen nicht von der Pflege abhalten“, erklärt die 34-Jährige. Die Kunst sei es, den richtigen Ton zu treffen: Freundlich-informierend, ohne sich selbst im Gespräch zu verlieren.
2 Mit Bereitschaftsärzten umgehen
Zum Problem am Wochenende kann auch werden, wenn Pflegekräfte einen Arzt rufen müssen. An Samstagen, Sonn- und Feiertagen kommen Bereitschaftsärzte, die weder die Bewohner noch deren Krankenakten kennen. Auch hier gilt es, genügend Zeit für den Arztbesuch einzuplanen. Damit das gelingt, sollten Pflegeheime am Wochenende ihr Personal nicht zurückfahren. Lampl weist darauf hin, dass, wie in Murnau üblich, auch am Wochenende für 35 Bewohner drei Pflegekräfte auf den Wohnbereichen arbeiten sollten. „Wer hier spart, tut das zu Lasten der Pflege“, so die Fachfrau, die seit 15 Jahren im Seniorenwohnen arbeitet.
3 Im Team planen
Auch Veranstaltungen wie Gottesdienste, Osterfeiern oder Erntedankfeste können an einem Sonntag zur logistischen Herausforderung werden, vor allem, wenn weniger Pflegekräfte als unter der Woche auf der Station arbeiten. In manchen Häusern übernimmt die Soziale Betreuung den Begleitdienst in die hauseigene Kapelle oder den Gruppenraum, in dem die liturgische Feier stattfindet. Wenn diese Helfer jedoch am Wochenende frei haben, müssen die Pflegerinnen diese Jobs übernehmen. Therapeut und Business-Coach Leonhard Fromm aus Schorndorf weiß, wie das gelingt: „Es hilft, zu Beginn der Schicht im Team zu reden, um zu klären, wer welche Aufgabe übernimmt.“ Denn wenn zusätzliche Wegstrecken oder Doppelarbeit anfallen, weil Zuständigkeiten unklar sind, sei der Zeitverlust immens, erklärt wiederum Lampl. „Dann kommt schneller Hektik auf als unter der Woche.“
4 Durchatmen ohne Kollegen
Das sieht auch Anke Riegl so. Die Intensivkrankenschwester hat 30 Jahre Pflege- und Schichterfahrung. Sie rät Kollegen, vor allem Pausen aktiv zur Erholung zu nutzen. „Auch einmal die Station verlassen“, sagt die 52-Jährige, die am Klinikum rechts der Isar arbeitet, sei sinnvoll, um durchatmen zu können, statt wie oft üblich, die Pausenzeit mit Kollegen zu verbringen. Besonders herausfordernd: An Wochenenden kommen zusätzlich zur Pflege administrative Aufgaben auf Fachkräfte zu. Etwa Lagerbestände zu ordern oder Apothekenbestellungen zu tätigen. Hierfür sei es wichtig, mit den Kollegen im Vorfeld zu vereinbaren, dass für diese Bestellvorgänge 30 Minuten Ruhe am Stück nötig sind. „Dafür bei den Kollegen im Vorfeld um Verständnis werben und Transparenz herstellen, ist zwingend“, sagt Fromm, der auch Teams und Fachleute aus der Pflege coacht.
5 Gesunden Egoismus trainieren
Hinzu kommt, dass am Wochenende das private Umfeld der Pflegerinnen leidet. Freunde und Familie kommen oft zu kurz. Hier ist es wichtig, Doppeldienste zu vermeiden. Die Regel sollte lauten: Das Wochenende nach dem Wochenenddienst ist frei. Dem stimmt Altenpflegerin Lampl zu. Modern geführte Häuser schaffen es, ohne Überstunden auszukommen und garantieren ihren Mitarbeitern, dass Wochenenden wechselseitig frei sind.
Um dies oder den Anspruch auf Pause durchzusetzen, hält Riegl es für unerlässlich, eine gesunde Portion Egoismus zu haben. Denn gerade in der Pflege falle es Berufstätigen mitunter schwer, auch einmal „Nein“ zu sagen. Diese Qualität ist aber notwendig, um Prioritäten setzen zu können, verdeutlicht Fromm und empfiehlt, sich diese Charaktereigenschaft bewusst anzutrainieren. Das könne in Resilienz-Seminaren geschehen oder mit Hilfe eines Fachmanns in Einzelsitzungen. „Grenzen setzen setzt Selbstbewusstsein und Selbstliebe voraus,“ so der 55-jährige Theologe.