Prof. Dr. phil. Dr. med. Dipl.-Psych. Rolf D. Hirsch ist Facharzt für Nervenheilkunde – Geriatrie – Psychotherapeutische Medizin – Psychoanalyse. Prof. Dr. Hirsch betreibt eine Privatpraxis in Bonn und hält sowohl Fachvorträge und Seminare. Die besonderen Schwerpunkte der Praxis sind Lebenskrisen und Beziehungsprobleme, depressive Störungen, psychosomatische Störungen, Angst- und Panikstörungen sowie Krisen des Alterns und psychische Störungen im Alter (z. B. Depression, Formen der Demenz). Die Therapeutische Schwerpunkte sind psychodynamischen Verfahren (z. B. psychoanalytische Therapie), Entspannungsverfahren und gezielte Förderung der Gesundheit durch Heiterkeit und Humor. Weitere Infos hier.
Der CareTRIALOG sprach mit Prof. Dr. Hirsch über die Themen „Humor in der Pflege“ und „Humor bei Demenz“. Lesen Sie hier den ersten Teil des Interviews:
Was bedeutet eigentlich Humor genau?
Prof. Dr. Hirsch: Es ist sehr schwierig, das genau zu definieren. Ich würde sagen, es geht um die Fähigkeit, eine heikle oder schwierige Situation mit einer heiteren, fröhlichen Gelassenheit spielerisch und kreativ zu bewältigen. Es kommen natürlich motivationale, emotionale, kognitive, soziale sowie verhaltens- und umgangsmäßig Aspekte hinzu. Das heißt, ich muss motiviert sein, solche Situationen auch in einer anderen Art als bisher zu lösen. Sich selbst und die Welt nicht zu ernst zu nehmen öffnet dem Humor Tore!
Hat jeder Mensch Humor?
Prof. Dr. Hirsch: Vom Prinzip her kann man sagen, dass jeder Mensch einen gewissen Sinn für Humor hat. Der eine mehr, der andere weniger. Manchmal erscheint es fast so, als wäre der Humor bei einigen Menschen genetisch bedingt. Sehr oft liegt der Humor aber einfach im Ablauf des Lebens selbst – und hier vor allem in der Kindheit – begründet. Prägend ist, wie und was ich in der Kindheit von meinen Vorbildern (Eltern, Großeltern) vorgelebt bekomme und dadurch lernen kann: Zum Beispiel den Umgang mit teils auch schwierigen Situationen, und wie ich solche Situationen auf heitere, fröhliche Weise lösen kann und mit Humor zu einem guten Ergebnis komme.
Würden Sie Humor als essenziellen Bestandteil des Lebens bezeichnen?
Prof. Dr. Hirsch: Ich würde sagen, Humor ist ein essenzielles Lebensmittel! Es gibt Lebensmittel, die der eine mag, der andere weniger mag. So verhält es sich tendenziell auch mit dem Humor. Aber ohne diese Essenz ist ein Essen eben fahl.
Warum ist Humor wichtig?
Prof. Dr. Hirsch: Da gibt es zwei Seiten: Humor kann man zum einen generell zu einer positiven Lebenseinstellung, zur wirklichen Verbesserung des Lebens und der Weisheit führen, aber zum anderen dient Humor auch zum Überleben, nämlich zur Bewältigung von kritischen Situationen. Gerade in besonders kritischen Situationen ist Humor sehr sinnvoll. Als typisches Beispiel sei hier der Wiener Neurologe und Psychiater Viktor Emil Frankl genannt, der während des 2. Weltkriegs knapp drei Jahre im KZ verbrachte, dabei seine Familie verlor und doch später sagte, dass er und seine Mitinsassen durch das tägliche Erzählen von Witzen die brutalen Grausamkeiten im KZ besser ertragen konnten, ohne von den Grausamkeiten überrannt zu werden. In jeder Situation – und sei sie auch noch so schlimm – gibt es irgendetwas Komisches, und genau auf diesen komischen Aspekt muss man sich konzentrieren, dann ist der Rest lebbar und man kann überleben, ohne unterzugehen.
Kann man Humor lernen?
Prof. Dr. Hirsch: Ja, Humor kann man lernen. Es gibt dazu einige Trainingskonzepte und noch andere Möglichkeiten. Und seien es einfach bestimmte Fernsehsendungen, Sketche von Loriot oder die Geschichten von Wilhelm Busch. Wichtig ist nur, dass ich selbst herausfinde, was mich persönlich fröhlich macht und erheitert. Das ist ganz individuell und abhängig von der jeweiligen Altersgruppe, von den Lebensumständen und der eigenen, inneren Entwicklung.
Welche Rolle spielt Humor zwischenmenschlich, sei es in einer partnerschaftlichen, familiären oder geschäftlichen Beziehung oder auch über unterschiedliche Altersstufen und Generationen hinweg?
Prof. Dr. Hirsch: Humor ist ein essenzieller Bestandteil der Kommunikation. Und ich spreche hier von einem freundlichen, heiteren Humor, nicht von Sarkasmus, der schnell sehr verletzend werden kann. Durch eine heitere Anekdote oder Bemerkung kann ein eher trockener Vortrag aufgelockert werden. Oder nehmen wir ein Streitgespräch: Irgendwann kommt es im Laufe der Diskussion vielleicht zu einem Punkt, an dem es nicht mehr weitergeht, die Fronten verhärtet sind. Rechthaberei hat da keinen Platz. Eine Anekdote kann an dieser Stelle alle erheitern und das Gespräch weiter voranbringen. Ganz nach dem Motto: Wer Humor hat ist Herr/Frau der Situation. Entscheidend dabei ist aber, dass niemand der Teilnehmer gekränkt oder beschämt wird. Denn das ist der Haken ständiger Witze-Erzählerei: Es ist nie sicher, dass die Dinge, die ich persönlich lustig finde, von meinem Gegenüber genauso aufgefasst werden. Denken wir nur an die unzähligen Blondinen-Witze, Witze über bestimmte Berufsgruppen oder auch die Vielzahl kursierender sexistischer Witze. Oft entstehen Witze als Ausdruck von Hilflosigkeit und Angst. Wenn ich etwas nicht direkt ansprechen möchte, dann mache ich lieber einen Witz darüber. Das ist OK, solange es nicht zotig und beschämend wird. Humor muss bzw. sollte immer auf Herzhöhe und mit einem großen Maß an Sensibilität passieren.
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